Innovationen im Spielzeugland
Eine Kunst ist nur dann lebendig, wenn sie sich weiterentwickelt. Deshalb beleben die Kunsthandwerker aus dem Erzgebirge ihre Erzeugnisse immer wieder mit neuen Impulsen. Jahr für Jahr entstehen neue Kreationen. Manche neue Idee ist stark in der Tradition verwurzelt, einige Handwerker bereichern eine alte Technik mit neuem Schwung, wieder andere gehen völlig neue Wege und präsentieren Figuren, die es so noch nie gegeben hat.
EINE BRANCHE IM WANDEL
Es ist ein unaufhaltsamer Wandel, der Anfang der Neunzigerjahre seinen Anfang nahm. Eine Zeit,
in der junge Kunsthandwerker und Gestalter begannen, die Branche zu revolutionieren. Mit einer neuen Formsprache, modernen Linien und Schwüngen, reduziertem Antlitz der Figuren – ein Wagnis, denn bis dahin waren klassische Entwürfe
und seit Jahrzehnten überlieferte Muster federführend beim Design von Krippenfiguren, Räucher- und Weihnachtsmännern sowie Engeln aus dem Erzgebirge. Zunächst wurden die neuen Produkte kritisch
betrachtet, doch schon bald hielten sie Einzug in das moderne Wohnambiente. Ebenso wie die schlichten Erzgebirgischen Schwibbögen® und Pyramiden beflügeln sie heute längst nicht mehr nur zur
Weihnachtszeit jede hochwertige Dekoration.
„Wichtig ist, dass man an sich selbst und seine Idee glaubt – sich nicht beirren lässt“, erinnert sich Designer und Holzgestalter Björn Köhler an seine erste Zeit am Markt, in der er für seine
Rotnasen so manches Mal belächelt wurde. Heute ist er Verbandsvorsitzender, Jurymitglied des Gestaltungswettbewerbs „freiGEDREHT®“ und gewann für seine modernen Figuren mehr-fach den Designpreis „Tradition und Form“.
TRADITION UND FORM
Um das Engagement und den Ideenreichtum der Kunsthandwerker zu fördern, rief der Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller gemeinsam mit der Erzgebirgssparkasse und dem Erzgebirgskreis 1995 den Wettbewerb „Tradition und Form“ ins Leben. Alle zwei Jahre werden besonders innovative und attraktive Neuerungen mit diesem weit über die Branche hinaus beachteten Designpreis ausgezeichnet. „Tradition und Form ist aus der Holzkunst nicht mehr wegzudenken. Die eingereichten Erzeugnisse müssen Teil des Erzgebirgischen Kunsthandwerks® sein. Wichtig ist das fertige Produkt in Serienproduktion – der Wettbewerb richtet sich klar an etablierte Hersteller“, beschreibt Verbandsgeschäftsführer Frederic Günther die Anforderungen.
INNOVATIONSWETTBEWERB freiGEDREHT
Um auch neue Impulse von außen zu fördern, die den Zeitgeist der Erzgebirgischen Holzkunst® beleben, wurde 2022 vom Verband gemeinsam mit den Partnern Erzgebirgssparkasse, Erzgebirgskreis, KREATIVES SACHSEN und der DENKSTATT Erzgebirge der neue Contest „freiGEDREHT®“ ins Leben gerufen. Künftig werden sich beide Wettbewerbe abwechseln und im Zweijahresrhythmus ausgerufen.
„So wie ein Kreisel, der immer neue – auch mal unvorhergesehene, völlig freie – Bahnen zieht, soll der Innovationswettbewerb freiGEDREHT® das Erzgebirgische Kunsthandwerk® mit neuen Impulsen bereichern“, sagt Frederic Günther, Geschäftsführer des Verbands. „Wie lässt sich eine jahrhundertealte Tradition in die Zukunft führen? Wir wünschen uns neue Blickwinkel und frische Perspektiven, wie junge Menschen, Kreative und gestandene Gestalter die Holzkunst von morgen denken.“ Profis und Schüler konnten am Innovationswettbewerb in zwei Kategorien „Produkt-Idee“ und „Kreativ-Idee“ teilnehmen. So war auch die Einreichung einer Produktidee in digitaler Form als Foto, Entwurf oder Skizze über eine Online-Plattform möglich. Die Kategorie Kreativ-Idee umfasste ein breites Spektrum: Von Grafik, Text, Illustration, Fotografie bis hin zum Film – es gab zahlreiche Möglichkeiten, das Erzgebirgische Kunsthandwerk® künstlerisch aufzugreifen. Die Gewinner des Hauptpreises werden aktuell in einem exklusiven Mentoring-Programm dabei begleitet, ihre Idee in die Praxis umzusetzen und diese sogar zur Serienreife zu bringen. Eine große Chance für junge Gestalter und renommierte Hersteller, eine fruchtbare Kooperation zu bilden.
JUNGE KREATIVE
Die Zusammenarbeit von jungen Gestaltern und Herstellern der Branche ist nicht neu. Die Industriedesignerin Emma Brix aus Halle absolvierte während ihres Studiums ein viermonatiges Praktikum im erzgebirgischen Seiffen, um einen hautnahen Einblick in die Herstellung Erzgebirgischer Holzkunst® zu erhalten: „Die Maschinen, die vielen einzelnen Arbeitsschritte, bis aus einem Stück Holz eine Figur wird, faszinierten mich. Ich wollte verstehen, was technologisch umsetzbar ist und wie man Abläufe effizient gestalten kann.“ Mit Praxispartner Matthias Schalling entwickelte sie drei schwebende Pyramiden – die Luftschlösser, welche seit 2022 in Serie gefertigt werden und aktuell mit dem Designpreis „Tradition und Form“ ausgezeichnet wurden.
MEISTERHAFTE GESELLENSTÜCKE
Neue Impulse und frischer Wind sorgen ebenfalls für einen Aufschwung beim Nachwuchs der Branche und führen diese in eine erfolgreiche Zukunft. Dazu trägt die Neuausrichtung des Meisterlehrgangs seit 2022 wesentlich bei. „Auch bei der Ausbildung verzeichnen wir im ersten Lehrjahr so viele Gesellen wie schon seit 20 Jahren nicht mehr“, berichtet Verbandsgeschäftsführer Frederic Günther. Die zwölf Absolventen des letzten Jahrgangs fertigten einzigartige Gesellenstücke, welche die über die Jahre erlernten Fähigkeiten in hoher Qualität widerspiegeln.
Ebenso erfolgreich setzte Gestalter Markus Weber, der die DENKSTATT in Seiffen mitgestaltet und an der Schneeberger Kunsthochschule lehrt, neue Impulse in der Branche. Er interpretierte Engel und Bergmann völlig neu und gewann mit seinem Paar „Zamm“ den Designpreis „Tradition und Form“ im Jahr 2021.