Was verbindet das Erzgebirge mit dem Odenwald?

Der Odenwald - dichte Wälder, ein bergiges Umland und kleine Gemeinden mit vielen schicken Fachwerkhäusern. Nicht nur landschaftlich erinnert der Odenwald an das Erzgebirge, denn in beiden Gegenden gibt es ein traditionelles Handwerk, welches nur in der jeweiligen Region ausgebildet wird. Im Erzgebirge ist es der Holzspielzeugmacher und im Odenwald der Elfenbeinschnitzer. Das Besondere daran ist, dass beide Gewerke zusammen mit dem Drechsler ein gemeinsames Meisterhandwerk bilden. Wer also seine Meisterurkunde als Holzspielzeugmacher in Händen hält, darf sich auch Meister für Elfenbeinschnitzerei nennen.

 

Um das einmalige Handwerk der Elfenbeinschnitzer genauer kennenzulernen und zukünftige Verbindungen aufzubauen, haben sich, auf Einladung des Beruflichen Schulzentrums Odenwaldkreis und der Firma Koziol, vier Vertreter*innen des Erzgebirgischen Kunsthandwerks® zu einem Austausch nach Michelstadt begeben. 


Berufsfachschule für das Holz und Elfenbein verarbeitende Handwerk

Die Berufsfachschule für das Holz und Elfenbein verarbeitende Handwerk ist ein Teil des Beruflichen Schulzentrums Odenwaldkreis. Elfenbein wird dort selbstverständlich nicht mehr verarbeitet. Der Name leitet sich noch von der Schulgründung im späten 19. Jahrhundert ab, als ein Nachfahre des Grafen Franz 1. zu Erbach-Erbach diese Schule ins Leben gerufen hat.

Heute ist es ein führendes Ausbildungszentrum mit einem 1600 m2 großem Werkstattbereich. Der größte Bereich ist die Ausbildung zum Tischler bzw. Schreiner. Außerdem gibt es die Ausbildungsberufe zum Elfenbeinschnitzer, Holzbildhauer und Drechsler. 


Bei Eintritt in die Werkstätten durften wir feststellen, dass sich der erste Raum nicht von der Drechselwerkstatt in der Holzspielzeugmacher- und Drechslerschule in Seiffen unterscheidet. Die Drehbänke standen ordentlich hintereinander und in einigen waren noch Kanthölzer eingespannt.

Viel Interessanter war allerdings der nächste Raum. Hier wird das Elfenbeinschnitzen gelernt und geübt. Geschnitzt wird dabei in der Regel mit Mammutelfenbein. Der fossile Werkstoff stammt oftmals aus freigelegten Fundorten rund um das sibirische Eis.  Außerdem werden Materialien benutzt, die der Härte und Beschaffenheit von Elfenbein nahe kommen, sodass keine Tiere zu Schaden kommen müssen. Ein besonderes Material ist die Taguanuss, auch Steinnuss genannt. Diese Nuss ist nach einem langen Trocknungsprozess sehr hart und kann dann mit dem Schnitzmesser bearbeitet werden. Die Lehrlinge verwenden bei der Bearbeitung auch Werkzeuge, welche sonst nur in der Zahntechnik Anwendung finden.  

Die Ausbildung dauert drei Jahre. Allerdings erfolgt sie hier im schulischen Vollzeitunterricht, d. h. es gibt keine Ausbildungsbetriebe, die den Azubis vor allem den praktischen Teil noch näher bringen. Am Ende der Ausbildung muss ein Gesellenstück erarbeitet werden.

 Zusammenfassung Ausbildung Elfenbeinschnitzer

  •  Dauer: 3 Jahre
  • Weiterführende Qualifikationen: Meisterausbildung, Studium Produktgestaltung
  • Einzige Ausbildungsstätte in Deutschland: Berufsfachschule für Holz und Elfenbein in Michelstadt
  • Verwendung von Mammutelfenbein, der Taguanuss und weiteren Materialien, die dem Elfenbein nahe kommen

An den Werkstätten der Elfenbeinschnitzern grenzen auch die Werkstätten der Drechsler, Holzbildhauer und Tischler an. Die Ausbildung zum/zur Elfenbeinschnitzer/in kann als Grundlage für zahlreiche berufliche Qualifikationen dienen. Beispielsweise kann ein Meisterkurs besucht werden oder man führt ein aufbauendes Studium durch. Dort kann man in den Bereichen Schmuck, Design und Edelsteingestaltung tätig sein. Auf diesem Bild ist Rebecca Kro zu sehen, welche 2021 ihren Gesellen im Elfenbeinschnitzerhandwerk abgeschlossen hat.


LeFoO - Lern- und Forschungszentrum Odenwald

Ebenfalls in den Räumen der Berufsfachschule Odenwald angesiedelt ist das LeFoO - Lern- und Forschungszentrum Odenwald. Dieses erinnert in der Philosophie in einigen Punkten an die DENKSTATT Erzgebirge. Es hat das Konzept einer offenen Werkstatt, in welcher jeder arbeiten kann, der Interesse hat. Dazu bietet das LeFoO viele verschiedene kostenlose Kurse von Basiskursen bis hin zu spezifischen Kursen wie 3D-Druck an. Besonders beeindrucken ist die Ausstattung: VR- und AR-Brillen, 3D-Scanner, 3D-Drucker, verschiedenste Softwares etc. Das gesamte Equipment steht zur freien Nutzung für die eigenen Langzeitprojekte zur Verfügung. Zusätzlich ist das LeFoO auch ein MINT-Zentrum, welches für die 5. bis 10. Klassen Kurse zur Berufsorientierung anbietet. Es wird hier also eng mit Schulen und Instituten, wie dem Frauenhofer Institut, zusammengearbeitet.


koziol Glücksfabrik

"Aus der Not geboren hat Kreativität und Fantasie es geschafft, aus Holz Gold zu machen. Das Erzgebirge - eine weltweite Luxusmarke. Der Besitzer ist stolz darauf, historische und moderne Produkte aus dem Erzgebirge zu besitzen, denn er kennt die Geschichte dahinter, er kennt den ideellen Wert, die Kraft der menschlichen Fantasie, das Kunsthandwerk, die fantastische einzigartige Qualität, die nachhaltige Produktion und die begrenzten Ressourcen."

 

- Aus der Glücksrede Stephan Koziol zum Spielzeugmacherfestival der Denkstatt Erzgebirge September 2021 -

Ein weiterer großer Programmpunkt war der Besuch in der Firma koziol. Deren Inhaber, Stephan Koziol, ein langjähriges Freund und Kenner des Erzgebirgischen Kunsthandwerkes® ist. Die Firma produziert seit 1927 in Erbach/Odenwald und hat alle relevanten Fertigungs- und Administrationsprozesse unter einem Dach. Als Bernhard Koziol, gelernter Elfenbeinschnitzer an der Berufsschule, die Firma gründete, beschäftigte sie sich noch mit der Elfenbeinschnitzerei. Schon zwei Jahre später verdrängte der Kunststoff das rare Elfenbein. Die ersten Produkte waren Schmuckware aus vollsynthetischen Kunststoff. Nach Ende des 2. Weltkriegs wurden vor allem Souvenirartikel wie Broschen populär. In den folgenden Jahren erweiterte sich das Sortiment um Spiele, Haushaltsartikel und Vasen. Eines der wohl bekanntesten Produkte ist die Traumkugel. Als Bernhard Koziol eines Nachts in seinem VW-Käfer durch den verschneiten Odenwald fuhr und stecken blieb, sah er durch die ovalen Rückfenster seines Autos Rehe im sachten Schneegestöber stehen. Dies brachte ihn auf die Idee der Traumkugel.

In den 1980er Jahren übernehmen die Söhne Bernhard Koziol jun. und Stephan Koziol die Firma. Da sie ein jüngeres Publikum ansprechen wollten, stellten sie ihr Sortiment fast komplett um. Den Fokus legten sie auf Design und Kunst: aus traditionellen Souvenirartikeln wurden modern gestaltete und farbenfrohe Dekorations- und Haushaltsgegenstände . Im entlang des aktuellen Zeitgeistes werden Trendthemen aufgegriffen. Aktuell spielt die immer wichtig werdende Nachhaltigkeit eine große Rolle bei, der Entwicklung und Produktion neuer Artikel. 

Alle interessanten Fakten zur Geschichte der Firma koziol können im hauseigenen Museum der "Glücksfabrik" erfahren werden. 


 

 

 

 

 

 

Nach einer großen Flut an Informationen haben wir uns abschließend zusammengesetzt, um über die zukünftige Zusammenarbeit zu sprechen. Wir freuen uns sehr über den kommenden Austausch mit der Berufsfachschule und hoffen auf eine erfolgreiche gemeinsame Zusammenarbeit. Seid gespannt!


Weiterführende Informationen

Die Berufsfachschule für das Holz und Elfenbein verarbeitende Handwerk 

Berufliches Schulzentrum Odenwaldkreis (AöR)

Erbacher Straße 50, 64720 Michelstadt

Telefon: 06061 951 - 0

Fax: 06061 951 - 190

Schulleitung: Herr OStD Wilfried Schulz

Schulträger: Landkreis Odenwaldkreis

www.berufsfachschule-holzelfenbein.de

koziol »ideas for friends GmbH

Werner-von-Siemens-Str. 90, 64711 Erbach

Telefon: +49 6062/ 604-0

Fax: +49 6062/ 604-245

E-Mail: info@koziol.de

www.koziol.de

DENKSTATT Erzgebirge

Waldweg 2, 09548 Kurort Seiffen

Wolfgang Braun (Projektleiter)

Tel. 0152 27 46 04 36

www.denkstatt-erzgebirge.de

 

LeFoO - Lern- und Forschungszentrum Odenwald

Berufliches Schulzentrum Odenwaldkreis (AöR)

Erbacher Straße 50, 64720 Michelstadt

Telefon: 06061 951-0

Fax: 06061 951-190

E-Mail: sekretariat@bso-michelstadt.de

www.lefoo.de



Bildnachweis:

 

Fotos von Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller e. V.

Foto Auszubildende von BSO